Am 13. August ist der Tunesier Sami A. aus NRW nach Tunesien abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Tag zuvor die Abschiebung untersagt hat, weil nicht auszuschließen war, dass er dort gefoltert wird. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat den Bochumer Richterspruch bestätigt. Durch unvollständige Angaben zu den Abschiebungsplänen war das Bochumer Gericht daran gehindert worden, sein Abschiebungsverbot durch eine Eil-Mitteilung zu veröffentlichen. Uns selbst, als das Gericht am 13. morgens seine Entscheidung veröffentlichte, wäre es noch möglich gewesen, Sami A. zurückzuholen.
Der Tunesier wird von den Behörden als „Gefährder“ eingestuft, unter anderem wird ihm vorgeworfen, zeitweilig Leibwächter von Osama Bin Laden gewesen zu sein. Wir können selbstverständlich nicht beurteilen, ob diese Vorwürfe gerechtfertigt sind oder nicht. Fakt ist aber, dass sie bisher nicht gerichtsfest bewiesen sind.
Darauf kommt es auch gar nicht an. Entscheidend ist, dass die nordrhein-westfälischen Behörden in grob rechtswidriger Absicht den Richterspruch aus Bochum missachtet zu haben. Das ist ein krasser Fall von Behördenwillkür. NRW-Innenminister Reul kritisierte den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts. Er verlangte, Richter müssten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen. Eine solche Position läuft darauf hinaus, nicht Recht und Gesetz gelten zu lassen, sondern Gerichtsentscheidungen in das Belieben populistischer Strömungen in der Bevölkerung zu stellen.
Tunesien hat Sami A. nach seiner Abschiebung zunächst festgenommen und Ermittlungen gegen ihn eingeleitet. Die Beweislage gegen ihn war aber für die tunesischen Richter zunächst überzeugend genug, um ihn in Haft zu halten. Er musste seinen Pass abgeben und darf das Land aber nicht verlassen. Die von den deutschen Gerichten verlangte Rückholung kann so vorläufig nicht realisiert werden.
Zahlreiche Politiker kritisierten das Vorgehen der nordrhein-westfälischen Behörden, darunter auch der FDP-Vize Wolfgang Kubicki, ein Parteifreund des in NRW verantwortlichen Ministers Stamp.