Geflüchtete Jugendliche diskutierten am 5.4.2017 mit Bonner Landtagskandidat*innenauf einer Veranstaltung von AsA und EMFA
im Haus Migrapolis
Polizistin möchte sie werden, sagt die sechzehnjährige Schülerin Somayeh aus dem Iran. Aber es scheint nicht zu gehen. Sie hat nicht die deutsche Staatsbürgerschaft – das ist der Grund, glaubt sie. Aber vielleicht gibt es doch eine Lösung für sie. Sie solle doch direkt bei der Polizei vorsprechen, rät Michael Aggelidis, Landtagskandidat der Linken. Dort gibt es Ausbildungsberater, an einen solchen sollte sie sich wenden. Keine Antwort bekommt Somayeh auf ihre Frage, wann ihre Familie nach Deutschland kommen darf und ob sie selbst ganz sicher bleiben kann. Diese Frage könne man nicht sicher beantworten, ist die einhellige Meinung des siebenköpfigen Podiums. Dort sitzen Peter Kox (SPD), Tim Achtermeyer (Bündnis 90/Die Grünen), Guido Deus (CDU), Michael Aggelidis (Die Linke), Franziska Müller-Rech (FDP), Michael Wisniewski (Piraten) sowie Carmen Martìnez Valdés (Fachreferentin für Flüchtlingsarbeit des Paritätischen NRW). Die Moderation der Veranstaltung lag in den kompetenten Händen von Dr. Ebba Hagenberg-Miliu. Sie stellte die Podiumsteilnehmer*innen und die Jugendlichen kurz vor, dann ging es gleich weiter mit den Fragen der jungen Flüchtlinge.
Kein Studium für Migena?
Migena, die aus Albanien stammt, macht gerade eine Ausbildung, allerdings nicht in ihrem Traumberuf. Das Abitur hat sie auch. Aber sie darf nicht studieren. Nach Abschluss ihrer Ausbildung muss sie zwei Jahre im jetzt gewählten Beruf weiterarbeiten. So sei das geltende Gesetz, erläuterte Carmen Martìnez Valdés (Fachreferentin für Flüchtlingsarbeit des Paritätischen NRW).Das Studienverbot von Migena ist erst einmal begründet durch die „3 plus 2 –Regelung“ – sie besagt, dass Flüchtlinge nach der dreijährigen Ausbildung noch mindestens zwei Jahre in ihrem Beruf weiterarbeiten müssen. Doch auch danach wird es für Migena schwer sein, denn sie müsste ihren Lebensunterhalt während ihres Studiums selbst finanzieren, und das wird sie vermutlich nicht können. Sie wünscht sich von den Landtagskandidat*innen, dass sich diese Gesetze ändern, denn gut ausgebildete und integrierte Flüchtlinge sind doch ein Gewinn für die Gesellschaft. Aber niemand auf dem Podium kann ihr zusichern, dass ihr Traum vom Studium in Erfüllung gehen wird.
Waseem, Somayeh, Migena und Ghulam
Waseem aus Afghanistan brachte die Diskussion richtig in Fahrt. Was machen die Parteien, um Fluchtursachen in den Herkunftsländern der Geflüchteten zu bekämpfen? Peter Kox von der SPD sagt, dass man ganz klar vor Ort Verantwortung übernehmen muss. So gibt es Städte im Grenzgebiet zu Konfliktregionen, die genau so viele Flüchtlinge wie Einwohner beherbergen. Bislang klappt das, aber man muss diese Gemeinden unterstützen. Guido Deus von der CDU fragt: Wo sind die Grenzen von militärischem Eingreifen und Politik? In Afghanistan seien sowohl die USA, Russland als auch Deutschland als Weltpolizei gescheitert.
Unser alltägliches Handeln hat Auswirkungen auf Flucht und Migration
Tim Achtermeyer von Bündnis 90/Die Grünen fügte hinzu, die Konflikte in Afghanistan und Syrien so kompliziert seien, dass er dazu keine Lösung anbieten könne. Allerdings sei seine Partei überzeugt davon, dass im Denken aller Menschen ankommen muss: Unser alltägliches Handeln hat Auswirkungen auf Flucht und Migration. Der Klimawandel, hauptsächlich ausgelöst durch westliche Industrien, führt zu Dürre und Überschwemmungen anderswo auf dem Planeten. Auch der Import von Lebensmitteln zu Dumpingpreisen führt dazu, dass bäuerliche Gesellschaften verarmen und vor Ort nicht mehr genügend Anbaufläche für die eigene Bevölkerung zur Verfügung steht.
Tim Achtermeyer(Bündnis 90/Die Grünen), Micheal Aggelidis (Die Linke),
Michael Wisniewski (Piraten)
Ghulam aus Afghanistan fragte, wie die Landtagskandidaten zur gängigen Anhörungspraxis im Asylverfahren stehen. So solle man derzeit am besten mit Fotos oder Videos beweisen, warum man geflohen sei. Aber es sei unmöglich, Dokumente aus der Heimat mitzubringen, wenn man auf der Flucht ist und nicht einmal weiß, ob man diese überleben wird. Franziska Müller-Rech von der FDP sagte, bei dieser Vorstellung stellten sich ihre Nackenhaare auf: Entwürdigend findet sie dieses Vorgehen. Sie habe den Eindruck, hier würde auf eine Ablehnung hin geprüft. Auf Waseems Frage, wieso denn viele geflüchtete Jugendliche keinen Schulplatz bzw. keinen Deutschkurs bekämen, sagte Müller-Rech, ihr Standpunkt sei, dass alle Flüchtlinge sofort eine Arbeitserlaubnis bekommen sollten und geflüchtete Kinder und Jugendliche umgehend einen Schulplatz. Das wäre das beste Mittel zur Integration.
Schulpflicht bis 28 Jahre erweitern
Michael Wisniewski von den Piraten vertrat den Standpunkt, dass eine bessere Regelung geschaffen werden muss, um geflüchteten Jugendlichen eine Schulausbildung zu ermöglichen. Er plädierte dafür, den Anspruch auf einen Schulplatz auf Heranwachsende bis 21 Jahren auszuweiten. Für die zusätzlichen Schulplätze und Sprachkurse müsse das Land NRW dann unbedingt das entsprechende Geld bereitstellen. Tim Achtermeyer von Bündnis 90/Die Grünen forderte sogar, die Schulpflicht für Flüchtlinge bis zum Alter von 28 Jahren zu erweitern.
Die Veranstaltung endete mit Fragen aus dem zahlreich erschienenen Publikum.